Reisen und dabei arbeiten, ohne an einen festen Ort gebunden zu sein. Digitale Nomaden brauchen nur einen Rechner, tingeln damit durch die Welt und erledigen nebenbei im Liegestuhl mal einen Auftrag für einen Kunden, der ein paar tausend Kilometer entfernt ist.
Dass es im echten Leben nicht ganz so lässig funktioniert, sollte klar sein. Warum es sich trotzdem lohnt und wie man das ganze erfolgreich organisiert, erzählen Paul Hübner und Kathi Lanz. Die beiden sind seit Anfang Juli mit ihrem Van unterwegs – Vannomaden heißt entsprechend das Projekt.
Es geht also grade erst los – und deshalb haben sie auch jede Menge ganz konkrete Tipps und Erfahrungen, wie ein erfolgreicher Start mit ortsunabhängigem Arbeiten und durch-die-Welt-reisen gelingt – und wo die Stolperfallen liegen, an die keiner vorher denkt.
Wo seid ihr gerade, und was ist eure nächste Station? Wie lange seid ihr schon unterwegs?
Wir sind gerade in Norwegen, im Setesdal, dem „Märchental des Südens“. Dort in einem verlassenem Wintersportdörfchen, zum Wandern.
Nächste Station ist irgendwo auf dem Weg nach Bergen, Norwergen. Unser kleiner Abreißkalender zeigt an, dass wir grad mal 10 Tage unterwegs sind, aber mit den tausenden Vorbereitungen waren wir so gestresst, dass die Zeit gerade wie im Fluge vergeht.
Stellt euch mal kurz vor: Wer seid ihr und was macht ihr?
Was wir sind, haben wir selbst erfunden: Vannomaden. Wohnende im Van. Unter diesem Namen arbeiten, stickern, bloggen und treten wir auch auf.
Die Vannomaden sind Kathi & Paul, kreativ und gerissen, naturliebend und sportbegeistert, spontan und einfallsreich, ehrlich und authentisch.
Was uns ziemlich gut beschreibt, ist ein Blick in unseren Kofferraum: Surfboard, Longboard, Snowboard, Tourenrucksack, Laptop, ein leuchtendes Einhorn, Designbücher, Skizzenbuch, Kompass und Leatherman, Crunchy Ovo (wie schon der Volksmund sagt: du bist, was du isst), Laufschuhe, wasserfeste Streichhölzer und … Warhammer Figuren.
Zusammen sind wir eine kleine Kreativeinheit, die Projekte autark abwickeln kann. Wir haben unsere Talente fusioniert und können so ziemlich viel anbieten. Von Print über Websites, Branding, Typografie, Illustration, Strategie oder auch Geocache- und Survivaltipps.
Und natürlich schöne Bilder – auf Instagram oder Facebook (überall zu finden als „vannomaden“). Wenn ihr mal Montags in der Arbeit neidisch werden wollt oder zu wenig Strandbilder in der Facebook-Timeline auftauchen.
Ach so: und wen man natürlich auch noch vorstellen muss, das ist unsere Grizzlybjørn. Der rothaarige Bär, auf dessen Rücken wir durch Skandinavien fahren. Bambusbjørn heißt auf isländisch Panda und da wir beide die Idee eines Bären mochten und große Grizzlyfans sind, lag das schon fast auf der Pfote ;).
Wie kommt man auf die Idee, Wohnung, Job etc. hinter sich zu lassen?
Durch Mut – und Neugierde die Welt zu entdecken, sich selbst zu entdecken und an Grenzen zu stossen. Wir wurden zwar von unseren Freunden beglückwünscht, mit unserer mobilen Heimat, als erstes ein „Eigenheim erworben“ zu haben, sind aber trotzdem fernab der klassischen Spießerlaufbahn.
Umso vorhersehbarer und routinierter es wird, umso mehr wollen wir ausreißen.
Was macht ihr beruflich? Habt ihr bereits selbstständig gearbeitet, oder wart ihr angestellt?
Dahin sind wir ja jetzt leider schon in der oben genannten Frage etwas abgedriftet. Vielleicht trotzdem nochmal auf den Punkt gebracht: Mit unserem Camper- und Agenturvan Grizzlybjørn reisen wir durch Europa, und arbeiten mit ganz viel Inspiration und Herzblut aus unserem mobilen Büro heraus.
Vor allem Werbe- und Designagenturen, bieten wir uns bei Ressourcenknappheit und kreativem Input, gerne als “Plug&Play”-Agentursupport an. Durch unsere Konstellation als Freelancer-Duo (mit Paul für Beratung und Strategie und alles mit Zahlen und Tabellen & Kathi für Design, Illustration, Werbung, Konzept und alles mit Farben und Buchstaben) sind wir bereit, Projekte ganzheitlich zu unterstützen und abzunehmen – im Namen der jeweiligen Agentur.
Unsere Mobilität, ermöglicht uns die notwendige Flexibilität und Erreichbarkeit, und unser eigener Anspruch und die Kreativität die richtige Beratungs- & Designqualität.
Natürlich haben wir aber auch eigene Projekte fernab von Agenturen. Paul war die letzten Jahre Geschäftsführer und Unternehmensberater kleiner und mittelständischer Unternehmen und bereits selbstständig unterwegs. Kathi hat vor ihren letzten Jahren bei Jung von Matt ebenfalls kurze freiberufliche Episoden gehabt.
Ist eure Route fest geplant, oder entscheidet ihr spontan? Wie wählt ihr aus, wo es hingeht?
Bevor wir losgefahren sind, war die häufigste Frage „Was ist denn euer erster Stopp?“.
Nachdem wir jedes Mal achselzuckend geantwortet haben und es selber, bis zum Erwerb eines Norwegen Reiseführers einen Tag vor Abfahrt, nicht wussten, haben es die Leute irgendwann aufgegeben.
Wir denken, was uns bewegt und leitet ist nicht die Suche nach Orten, sondern nach Momenten, Geschichten und unserem Platz in der Welt. Wir wissen meist nicht wohin es übermorgen geht.
Um dennoch ein bisschen Ziel in „Der Weg ist das Ziel“ zubringen, haben wir ein kleines Ritual eingeführt: Alle zwei Wochen wechselt der Job des „Roadcaptains“ zwischen uns. Des Captains Job ist es dann, grob zu navigieren, wo wir unseren Grizzlybjørn die nächsten 2 Wochen hinsteuern.
Wie habt ihr eure Tage unterwegs geplant? Welchen Anteil wird Arbeit im Tagesablauf haben, und wie organisiert ihr eure Zeit?
An der Tagesplanung sind wir gerade dran.
Wir haben gemerkt, dass man für das norwegische Wetter sehr spontan sein muss und wir uns noch an den freien Tagesablauf gewöhnen müssen. Aktuell teilen wir auf in arbeitslastige und freizeitlastige Tage und wählen so unseren Stellplatz aus.
Auf einer Kreidewand im Van stehen unsere To Dos und jede Menge kleine Spinnerein, die wir ausprobieren wollen.
Die Arbeit macht uns Spaß und so arbeiten wir meist, wie wir Lust haben. Jeder ein bisschen nach seinem eigenen Rhythmus. Paul als Frühaufsteher, gleich in den Morgenstunden und Kathi hat zum Beispiel am Nachmittag ihre produktivste Zeit.
Habt ihr euch auf das ortsunabhängige Arbeiten besonders vorbereitet? Ist das etwas neues für euch?
In einem mobilen Büro haben wir zwar beide nie gearbeitet, trotzdem bewegen wir uns nach wie vor beide in der Kreativbranche, wo reisen, unterwegs sein und externe Locations oft zum Tagesgeschäft gehören und man mit Freelancern aus aller Welt zusammenarbeitet. Da kommen uns unsere Erfahrung jetzt natürlich zu gute.
Außerdem ist unsere Arbeit eigentlich ohne direkten Augenkontakt möglich und wir sind jederzeit überall mobil und erreichbar.
Da fingen auch schon die nervenaufreibendsten Vorbereitungen an: genügend Datenvolumen, Stromversorgung für die Macs, Speicher- und Austauschmedien und analoge Inspirationen und Arbeitsmittel an Board für internetfreie Zeiten.
Was sind eure 3 wichtigsten Tools, um auch unterwegs arbeiten zu können?
Zur Organisation unseres mobilen Gewerbes benutzen wir aktuell nur die zwei Tools Podio für Projektmanagement und Debitoor für Rechnungsstellung und Buchhaltung und sind damit so gut aufgestellt, dass wir eigentlich nichts weiter benötigen.
Außerdem hilft es extrem, dass wir mit Apple auf allen Geräten das gleiche Betriebssystem nutzen und so sehr geschmeidig, Daten hin und her schicken, sichern und in der Cloud arbeiten können.
Wichtige Gimmicks: Softwares zum Kontrollieren von Datenausgängen und Strom!
Fazit der ersten Tage/Wochen? Gab es Überraschungen, mit denen ihr nicht gerechnet habt? Positive oder negative?
Überraschend war nach dem großen Tetris Verschachteln in den Van, wieviel Platz wir doch noch haben und wie wenig man tatsächlich braucht.
Positiv: Es ist toll zu zweit zu sein und zu sehen, wie man sich immer wieder super ergänzt. Wie nett die Norweger sind. Wie richtig die Entscheidung zum Vannomadentum war. Analoge Medien treten wieder in den Vordergrund: wir lesen Karten und Bücher und schreiben auf Post its und Kreidewände.
Negativ: Manchmal ärgert man sich über Stress im Vorfeld, der zum einen nicht nötig gewesen wäre und zum anderen dazu geführt hat, dass man manche Sache daheim vergessen hat…
Was ist bislang die größte Herausforderung?
Einen Schlafplatz zu finden, der ALLES kann: kostenlos, mit LTE, direkt am Wasser, ruhig und schön, ohne Mücken, mit Sternenhimmel, nicht zu kalt, mit Frischwasser und Outdoortrails daneben, aber natürlich nicht überlaufen. …Luxusprobleme halt ;).
Aber tatsächlich VOR Abreise: Die vielen Probleme der IT, die uns über 4 Monate geplagt haben, eins nach dem andern aus dem Weg zu räumen.
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